Warum möchte ich Autorin sein?

Meine Liebe für Literatur lässt mich Bücher schreiben, doch was bringt mich dazu, sie zu veröffentlichen? Hier ist der Grund, warum ich Autorin sein will.

„Ich möchte Autorin sein“ lautete seit jeher meine Antwort auf die Frage, was ich, wenn ich groß bin, einmal werden möchte. In der Grundschule plärrte ich das laut in die Welt hinaus, im Erwachsenenalter nur noch in meinen Kopf, denn ich wollte nicht mit dem Zynismus dieser Welt konfrontiert werden. Autorin zu werden, war seit jeher mein Traum, und den wollte ich mir weder vom Kapitalismus noch von der Statistik zerstören lassen.

Ich wollte nicht über den schwindenden Buchmarkt, die hohe Konkurrenz oder geringen Einnahmen nachdenken, sondern einfach nur schreiben, schreiben und für immer schreiben. Ich wollte Geschichten zum Leben erwecken, Worten eine andere Bedeutung beimessen und mich in jeden meiner Charaktere neu erfinden und verlieren.

Dass das jedoch nicht die Antwort auf die Frage ist, warum ich Autorin sein will, realisierte ich erst vergangenes Jahr. Ich hatte mein erstes Buch fertig geschrieben, mit meiner Familie geteilt und dann erfolgreich auf meinem Computer abgespeichert. Danach geschah lange Zeit nichts. Alle Wege verliefen sich im Nichts, und ich klammerte mich an die Erinnerung fest, damit Lis nicht in Vergessenheit geriet.

Doch damit eine Geschichte nicht zur Legende wird, muss sie weitererzählt werden. Deshalb hauchte ich ihr mit meiner Stimme neues Leben ein, als ich bei einem Volunteerjob im Landesinneren der Türkei gestrandet war und nach einer anderen Freizeitbeschäftigung als Kettenrauchen suchte. Ich ging mit meiner Zimmergenossin in den Park und las ihr jeden Tag eine Stunde lang vor. Es war das erste Mal, dass ich meine Geschichte jemand anderem laut vorlas. Und es war das erste Mal, dass ich die Reaktionen eines anderen sehen konnte, der meiner Geschichte lauschte. Ich sah ihr Lachen, als Finn sich als Pole-Dancer um den Traktor schwang, ich sah ihre Empörung, als Henrik sein Ultimatum stellte, ich sah ihre Tränen, als die kleine Lis ihren Vater bittet, zu seiner Familie zurückzukommen.

Das war es, was ich wollte. Ich wollte Emotionen hervorrufen, ich wollte Sehnsüchte wecken, ich wollte meine Geschichten teilen. Als mich dann einige Zeit später ein Freund fragte, warum ich Autorin werden wollte, wusste ich meine Antwort. Es war nicht, weil ich schreiben wollte, denn das konnte ich auch ohne Buchveröffentlichung. Es war nicht, weil ich Geld verdienen wollte, denn das konnte ich als Lektorin auch mit Büchern anderer. Es war nicht, weil ich berühmt werden wollte, denn seit meiner missglückten Theateraufführung in der sechsten Klasse habe ich mich nicht mehr nach dem Rampenlicht gesehnt. Es war, weil ich die Reaktionen anderer sehen wollte – Menschen, die durch meine Bücher lachten, liebten, weinten, schrien oder – wie meine Zimmergenossin – endlich wieder ihren Vater anriefen.

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